Morgen ist kalendarischer Herbstanfang, der Sommer ist wieder viel zu schnell vorbeigegangen oder ich vermisse einfach nur die endlos lang scheinenden Sommer meiner Kindheit und Jugend, fühle ich doch schon seit ein paar Jahren, wie die Zeit rast.
Herbst bedeutet für mich rotgelbe Wälder, Raschelparadiese, Moderduft und faulender Apfelgeruch, es können auch Zwetschgen sein, Nebel, der Garten wird öder, morgens wecken einen keine Vögel mehr und beim Aufstehen ist es dunkel. Zeit die Sommersachen einzulagern, sich von den Sandalen und Birkis zu verabschieden und auf kuschelig umzustellen. Herbst bedeutet für mich immer, dass das GoT Motto „Der Winter naht“ rot im Alertmodus bei mir im Kopf aufleuchtet. Schnell noch geiles Wetter mitnehmen, raus bevor es richtig fies wird und der unvermeidbare Winterblues einen hinterrücks catcht.
Dagegen hilft nur Wellnesslesen und tatsächlich sind mir noch kurz vor Herbst zwei Wohlfühlromane unter die sehr angetanen LeserInnenaugen geraten. Aus Zeitgründen stelle ich mal beide zusammen vor:
Den Anfang macht „Water Moon“ von Samantha Sotto Yambao.
Magisch angezogen hat mich in der Buchhandlung das Cover. Verheissungsvoll, blau lockte es mit ungewöhnlichem Inhalt. Der versprach allerdings eine Liebesgeschichte, weniger lockend, eher abschreckend, allerdings mit Setting in Tokio und einer jungen Autorin die in Manila wohnt. Idiotisch aber außergewöhnlich erschien mir die Idee mit dem faltbaren Cover, echt jetzt? Der Büchersammlerin stößt das übel auf. Aber es ist ein Kann, kein Muss und zumindest hatte der Verlag dank des Origamicovers schon mal meine Aufmerksamkeit, dazu die zwei warmen Empfehlungszettel der BuchhändlerInnen. So kam es zum Erstkontakt und die erste Seite war nicht abschreckend.
Eine fremde Kultur, ein ansprechender Titel so kam es zum reinschnupppern, was den Wunsch mehr zu erfahren auslöste. Und es hat sich gelohnt.
Samantha Sotto Yambao hat mich in eine, aus anderen als den westlichen bekannten Mythen und Märchen bestehende, magische Welt entführt. Eine geheimnisvolle, gefährliche Welt in der Naturgesetze außer Kraft gesetzt sind. Diese andere Realität befremdet und verzaubert auch den Teilchenphysiker Keishin, der statt in einem Ramenrestaurant in einem Pfandhaus bei Hana der neuen Besitzerin strandet und mit ihr in ihre seltsame Anderswelt eintaucht.
Zugegeben, ein unseliger Hang zu Kalenderweisheiten ist der Autorin nicht abzusprechen. Sie muss einen ganzen Sack dieser kleinen Weisheitsperlen haben um sie mit derart großzügiger Geste im gesamten Roman zu verstreuen, aber ich kann ihr nicht böse sein. Sie fügen sich immer passend zu den sie äußernden Charakteren und der Handlung ein und sie entsprechen fast immer der Wahrheit. Wie es eben so ist mit Kalenderweisheiten. Ich hab sie geknuspert wie kleine aber schmackhafte Glückskekse, innerlich mal Augen verdreht oder gegrinst, aber ohne Verdauungsprobleme überstanden. Der Poesie dieser Reise tat es keinen Schaden. Zu faszinierend war diese Welt, das Reisen, die Transportmittel und die Geschichte die sich entspann. Auch die sich zart anbahnende Lovestory konnte mich erreichen und berühren. Und die Grundidee, dass wir alle Entscheidungen getroffen haben von denen wir manche bereuen, ungeschehen machen, sie eintauschen wollen gegen Vergessen. Nach und nach habe ich mich in diesen Roman verliebt, der so federleicht zauberhafte neue Wunder in dieser gefährlichen seltsamen Anderswelt zeichnete. Die Schönheit des menschlichen Geistes feiert und dabei die Zeichen von Diktatur und Faschismus aufzeigt. Eine kleine Perle im Ozean der Fantasy.
Unmittelbar darauf folgte ein Ausflug in die wirkliche Welt. Gabrielle Zevin hat sich mit „Morgen, morgen und wieder morgen“ in mein und auch Bris Herz geschrieben und auch die Bücherelfe war mit von der Partie als wir es zusammen lasen und ich bin überzeugt „Das erstaunliche Leben des A. J. Fikry“ hätte ihr ebensogut gefallen wie mir. Einziges Manko des Romans ist seine Kürze. Manche Bücher sollten niemals enden. Besonders solche die Literatur, Mitmenschlichkeit und Liebe in jeglicher Couleur feiern nicht. Witzig und gewohnt clever erzählt die Autorin von Verlust und Neuanfängen, eingestreut mit literarischen Notizen des grumpy Buchändlers Fikry von denen man erst spät erfährt wem sie gewidmet sind die aber ihre eigene Qualität haben. Sein Leben im fiktiven Alice Island, einer Insel die nur im Sommer umsatzstark ist für ihn, besonders da er die einzige Buchhandlung führt und säuft seit seine junge Frau, die Einheimische des Pärchens und die mit dem sonnigen Gemüt gestorben ist. Nur seine Schwägerin Ismay schaut nach ihm und das auch nur aus Pflichtgefühl. Sein Leben ist am Tiefpunkt, er weiß und akzeptiert das herbeigesoffene Ende da geschehen seltsame Dinge …
Mehr als diesen Beginn möchte ich nicht verraten. Lest selbst. Besonders, wenn ihr auch eher zu den Menschen gehört, die Bücher den meisten anderen Menschen vorziehen, da man sie einfach weglegen kann wenn sie öde oder blöde sind. Dieses hier ist kein Time Waste sondern ein Vergnügen bis zum Schluss. Zevin beherrscht ihr Handwerk und A.J.Fikry belegt weshalb 😉
Water Moon von Samantha Sotto Yambao erschien im August 2025 bei Limes als Hardcover. Das erstaunliche Leben des A.J. Fikry von Gabrielle Zevin erschien ebenfalls im August 2025 als Paperback bei Eichborn. Weitere Informationen findet ihr bei Klick auf das passende Cover oder auf der jeweiligen Verlagsseite.

