Die Unbehausten

Dieser Titel ist clever gewählt, denn wo gibt es Sicherheit und Geborgenheit, wenn nicht im Dach über dem Kopf und den eigenen vier Wänden. Kracht der Kraftort zusammen stellen wir fest, dass Geld die Welt regiert. Keine Neuigkeit in Zeiten des ungezügelten Neoliberalismus.

Seit der wiederholten orangen Übernahme des amerikanischen Regierungssitzes regieren auch zusätzlich und vermehrt zu Lobbyismus, Inkompetenz, Erpressung, Korruption und weitere stetige Rechtsbrüche mit.

Nachdem mich Ocean Vuongs Roman „Der König der Freude“  unerwartet sehr enttäuschte und ich beschloss den Niedergang der USA nicht weiter zu verfolgen, wenigstens literarisch. Doch dann lockte Barbara Kingsolvers neuer Roman, weil mir „Demon Copperhead“  und ihr Stil so gut gefallen hatten.

Kingsolvers Roman beginnt kurz vor der ersten Regierungszeit der narzisstischen Orange.

Familie Knox ist frisch in ihr neu geerbtes Haus nach New Jersey gezogen. Willa ist die Frau und Mutter die versucht alles zusammenzuhalten. Sie und ihr Mann sind beide Akademiker, schlecht bezahlt und ohne Festanstellung. Der Sohn, Harvard Absolvent, BWLer verlor seine Frau, sein Baby wird von Oma Willa versorgt und er er versucht mittels Start-Ups Kapitalgeber zu finden, die Familie zu unterstützen und seinen Studienkredit abzuzahlen. Die Tochter wohnt auch mit im bröckelnden, schimmeligen Gemäuer das zusehends verfällt und dann gibt es da noch den problematischen Schwiegervater der politisch anders denkt als die restliche Familie und seine Überzeugungen lauthals kundtut.

Das ist die eine Geschichte die die Autorin in die Unbehausten erzählt. Die andere Geschichte spielt 150 Jahre davor und berichtet von der Familie Greenwood und der Freundschaft zwischen der Hobbywissenschaftlerin Mary Treat und dem Naturkundelehrer Thatcher Greenwood, der, frisch verheiratet nicht nur mit seiner Frau, sondern auch der jungen Schwägerin und schrecklichen Schwiegermutter unter einem ebenso bröckeligen Haus residiert.

Barabar Kingsolver verbindet diese beiden Erzählstränge gekonnt, so ist der letzte Satz der einen Geschichte immer auch der Anfangssatz des neuen Kapitels und auch die Probleme die sich ergeben, wenn das Haus unter einem wegbricht und das Geld fehlt sowie der Ort verbinden diese beiden Familien, deren sie sie so authentisch und lebendig schildert.

Ein Vergnügen ist auch Willas Art zu erzählen, denn es sind ihre Gedanken durch die wir die Geschehnisse erfahren und sie wird auch nachforschen was es mit Mary Treat, die mit bekannten Wissenschaftlern ihrer Zeit, wie Charles Darwin, korrespondierte auf sich hat. Dieser handlunsstrang war ebenfalls ein großes Leseerlebnis und -vergnügen.

So tragisch der Niedergang der Familie Knox ist und auch das Leben Thatcher Greenwoods so schafft es Kingsolver doch durch die fein gezeichneten Hauptcharaktere und deren Humor und Resilienz, Witz und Charme in diesen Roman zu bringen. Die Seiten flogen nur so dahin und es war durchweg ein Vergnügen trotz der Widrigkeiten und den feinsinnigen USA Details die immer wieder aufblitzen und den Zustand dieses Landes im Jahr 2016 zu skizzieren.

Zeitgeschichte, Familiengeschichten, Tragik und Komik und eine klare Darstellung der Verhältnisse im Land of the Free machen diesen Roman zu einem außergewöhnlichen Erlebnis Dazu kommt die liebevolle Willa die versucht ihre Familie im Alleingang zu retten und zusammenzuhalten, sich derweil mit ihren eigenen Ängsten herumschlägt die schwierigen Lebensbedingungen für Frauen 150 Jahre zuvor und das alles fügt sich in ein klares Bild vom Untergang der amerikanischen Mittelschicht das uns als Warnung dienen sollte.

Der Krieg Reich gegen Arm (ab Minute 7 in etwa hörenswert), den der Kabarettist Georg Schramm, vor etlichen Jahren Warren Buffet zitierend, thematisierte ist in vollem Gange und schaut man sich Deutschland an dann sieht man die Reichen unbehelligt auf die Ziellinie zuschreiten, während Arme als faule Schmarotzer abgestempelt werden um den Sozialstaat zugunsten der Reichen abzubauen. Bildung, Infrastruktur, Wohnungsnot, Populismus und Faschismus alles ist schon da und wie auch Willas Schwiegervater voten in Europa die (geistig)Armen und die Allerreichsten für die Faschisten.

Die Unbehausten ist ein großartiges Stück US-amerikanische Literatur. Vielleicht können die Amerikaner uns zumindest hier noch gut dienen, als Beispiel wie wir nicht leben wollen. Das Gros von uns zumindest.

 

Die Unbehausten von Barbara Kingsolver erschien als Hardcover im Juni 2025 bei dtv. Weitere Informationen bei Klick auf das Cover oder auf der Verlagsseite.

 

 

 

 

 

Ein Gedanke zu “Die Unbehausten

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