In unserer Politik und Gesellschaft ist die Annahme groß, dass es der Markt doch richten wird. Der Neoliberalismus erlebt seine große Blüte und der Staat verkauft seine Waschmaschinen um die Stromrechnungen zu bezahlen. Richten soll es doch bitteschön Angebot und Nachfrage. Weg vom Staat, hin zur Privatisierung. Was dazu führt, dass gerade in Europa der große Ausverkauf beginnt. Investoren aus China und Amerika schnappen sich, auch gerade seit der Bankenkrise, die alteingessessenen Firmen. Firmen, die Generationen über in Familienhand waren. Die Deregulierung der Märkte ist ein Schuss nach hinten, der Markt wird durch korrupte Machenschaften von gierigen Konzernchefs und Politikern geschröpft, die uns weismachen, alles zum Wohle des kleinen Mannes zu tun.
Einen solchen Fall schildert Dominique Manotti in ihrem Wirtschaftskrimi ‚Kesseltreiben‘. Minutiös wird in Tagebucheinträgen, die Übernahme eines französischen Energiekonzerns durch einen großen amerikanischen Konzern geschildert. Und dabei geht es nicht gerade zimperlich zu.
Ein führender Manager des französischen Konzerns wird beim Eintreffen in Amerika am Flughafen verhaftet. Ihm werden Drogenmissbrauch und Sex mit Minderjährigen vorgeworfen. Die Art der Verhaftung deutet darauf hin, dass sich das FBI vorbereitet hat. Auch ist Francois Lamblin, der Manager von Ostram, einem der führenden französischen Energiekonzerne, trotz interner Reisewarnung für Amerika, guten Gewissens dorthin geflogen. Nach interner Rücksprache bei der Rechtsabteilung, wurde ihm bescheinigt, ohne Sorge reisen zu können. Ist er ein Opfer in einem größeren Spiel? Eine Falle? Seine Verhaftung löst eine Reihe von Ereignissen in Frankreich aus, die Noria Ghozali auf den Plan ruft. Noria ist frisch beim Pariser Dienst DRPP eingetroffen, eine Abteilung zuständig für Wirtschaftsfragen.
Manotti entwirft ein buntes Panoptikum der Figuren, die teils die Geschichte im Hintergrund beeinflussen, teils ihre Handlanger wie Nicolas Barret haben, die als Marionette ohne Munition in die Schlacht geschickt werden. Verzichtbare Bauernopfer. Auch Steven Buck ist ein solches, beide spüren ihre Hilflosigkeit und reagieren sich an Nutten und Transen ab. Eine wohl durchaus gelebte männliche Realität in solchen Stresssituationen. Gerade zimperlich geht Manotti nicht mit ihnen um. Noria und ihr Team sind der Fels in der Brandung, Ghozali hat „Ein Gesicht wie aus Stein, nichts als Flächen und Kanten“, ihre Mitstreiter und sie kämpfen trotzdem an verlorener Front.
„Wir sind elende Stümper, mit einer Wasserpistole bewaffnet kämpfen wir unkoordiniert gegen eine zusammengeschweißte Truppe, die die Atombombe einsetzt. Wie können wir da auf Erfolg hoffen?“
Manotti erzählt emotionslos, trocken und nüchtern, ihr Wirtschaftsthriller ist eine komplexe Studie, wie eine Übernahme eines Konzerns vorbereitet und menschenverachtend ausgeführt wird. Ghozali und ihr Team sammeln alle Beweise und versuchen über die Politik, das Ministerium, den legalen Weg einzuschlagen. Doch dieser ist anscheinend auch schon verseucht durch Korruption und Mauscheleien. Gegen Amerika und deren Geheimdienste stellt sich kein Land. Manotti hält sich an ein reales Beispiel, die Übernahme eines französischen Konzerns durch General Electric. Und die NSA hatte natürlich ihre Finger im Spiel, nachzulesen hier.
Manottis Werke sind im Argument Verlag aus Hamburg erschienen und es lohnt sich auf jeden Fall in eines mal hineinzuschnuppern. Ich wurde regelrecht eingesogen in die Erzählung.
Kesseltreiben von Dominique Manotti ist 2018 im Verlag Argument in Hardcover-Ausgabe erschienen. Nähere Infos zum Buch über einen Klick auf das Cover im Beitrag oder auf der Verlagsseite.
Manotti ist als Wirtschaftshistorikerin und ehemalige Gewerkschafterin sehr tief in diesen Themen. Sie schreibt sehr präzise und nüchtern. Ich lese sie sehr gerne.
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Wat fies. Der Markt regelts, haha, Fiktion goes Realität. Klingt sehr interessant, wobei ich mir solche Aufreger witterungsbedingt grad lieber verkneife 😉
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Ich habe mal vor langer Zeit ein Buch von Manotti gelesen, in dem sie die Kulturwelt ganz schön auf’s Korn nimmt. War gut, aber ich war etwas weit weg von dieser speziellen Gesellschaft. Ich glaube ein Wirtschaftsthema findet mehr Interessierte. Ihr Schreibstil hat mir aber gut gefallen.
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