Morgens zwischen Samariter und der S- Bahn
Als Fred sich langsam vorwärts wuchtend seinem Lieblingsaussichtsplatz nähert, durchdringt ihn die Genugtuung, ihn noch unbesetzt vorzufinden.
Nicht auszudenken, was er tun würde, sollte dies eines Tages anders sein.
Er ist alt, arm und ziemlich ramponiert. Aber für’n verhaften Penner reicht es schon noch.
Fred parkt seinen Rollstuhl an derselben Stelle zwischen DM und Netto, wie er das seit nunmehr drei Jahren macht. Nachdem seine Füße auf Rollbratengröße anschwollen, ist an ein freies Umherstreunen nicht mehr zu denken. Zu schmerzhaft jeder Schritt.
Er besitzt einen Pappbecher, den er etwaigen Mildtätern hinhält, während er sich schalkhaft um Wahrnehmung bemüht.
Man kennt ihn. Und er kennt sie.
Bringt man ihm eine Kleinigkeit zu essen, freut es ihn.
Zeit hat er. Keine Ziele mehr. Nur leben, lächeln und gerne auch schwatzen.
Die Sonne steigt höher. Ihre Strahlen stürzen auf die Frankfurter Allee in ihrer ganzen Länge ein; heizen sie auf. Nur gegenüber zieht sich noch ein schmaler Schattenstreif die endlos scheinende Häuserzeile entlang.
Wind kommt auf. Wirbelt umher. Bläst sich auf. Und Fred gefällt’s.
Menschen hetzen an an ihm vorbei. Manche treiben Kinder vorwärts. Hunde nähern sich im schnuppernd. Erst ab Mittag werden sie hecheln, sofern sie nicht im Schatten der Wohnungen dösen, bis sie erlöst werden.
Fred weiß das alles. Und noch vieles mehr. Aber es nützt ihm nichts. Niemand kommt und bietet ihm Geld für sein Wissen. Nicht das Fred es annehmen würde. Noch auf das Anliegen einginge. Fred ist nämlich stasierfahren.
Er würde demjenigen schon Beine machen.
Und warum auch nicht? – Ist schließlich sein Platz.
Mehr weiß ich allerdings auch nicht