Das Erste, das auffällt, wenn man das Buch in die Hand nimmt, ist der wunderschöne Einband und die eingravierte Schrift, die sich golden von dem schwarzen filzartigen Rest abhebt. Auch beim Aufschlagen des Buches setzt sich der Eindruck fort. Die ersten Seiten schwarz und ein fremdes Sonnensystem in gold mit 6 Planeten auf schwarzem Papier gedruckt. Doch halt, der Planet Magnon ist nicht enthalten. Was ist Magnon?
Als Magnon bezeichnet man einen kollektiven Anregungszustand eines magnetischen Systems. Um Anziehung und Kollektive geht es auch im hier vorliegenden Buch. In einer fernen Zukunft wird das Geschick dieser Menschen in diesem Sonnensystem von einem Computergebilde gesteuert. Actualsanity (effektive Gesundheit = AS) führt die Planeten, zwischen denen Shuttle verkehren, als Staatsgebilde, weil die Menschen ihm die Macht in die Hände gegeben haben. Und AS weiß, was am besten für die Menschheit ist, Frieden, Reduktion, Klarheit und Kollektive. Besitztum ist ein Begriff der alten Zeit:
“Selbst banale Gebrauchsgegenstände wurden nicht geliehen und genutzt, sie wurden erworben und aufbewahrt, und ihr Müll wurde noch nicht zentral auf Toadstool gesammelt, sondern auf allen Planeten verstreut.”
Man benötigt keine Dinge persönlich für sich, AS sorgt für alle. Auch ist diese Zukunft interessanterweise nicht hochtechnisiert, es gibt ein Internet auf lokaler Basis, Mobiltelephone verschicken nur Textnachrichten, Autos gibt es nur in einer einheitlichen Kastenform, alles ist auf das Notwendigste eingeschränkt. Es existieren Kollektive, die wie Parteien zu sehen sind, ein Wahlspruch, eine gemeinsame Idee. Es ist das postpragmatische Zeitalter, alles ist oberflächlich perfekt organisiert, im Inneren der Menschen herrscht emotionale Leere. So wie bei Marten Elliot:
„Ich werde besser, aber gehöre in keiner Spielart zur Spitze. Manche sagen, das sei mein größtes Problem. Emma dagegen behauptet, das sei mein Schlüssel zum Erfolg: Weil ich kein klares Profil hätte, würde ich den neuen Dolfin repräsentieren, den frei schwebenden Postpragmatiker.“
Dolfin ist ein Kollektiv, aus dem Marten und Emma losgeschickt werden, um das „Kollektiv der gebrochenen Herzen“ und die Frau mit der Tigermaske zu suchen, die aufzeigen wollen, dass jedem Menschen das Herz gebrochen wurde und dass dieses Erkennen den emotionalen Aufbruch bedeutet. Denn allzusehr besteht die Gesellschaft aus hohlen Ritualen und Worten:
“Grundsätzlich ist die Frage, wie die Verhaltensweisen und Attitüden einer Person am Anfang ihres Lebens vorgezeichnet werden, zwar interessant, für uns Dolfins aber höchstens zweitrangig. Viel wichtiger ist, was sich aus dem Moment, der sich gerade ereignet destillieren läßt.“
Marten und Emma sind das perfekte Paar, nicht liiert, aber in postpragmatischer Einheit verbunden. Ihre Suche über die Planeten zeigt eine gelangweilte Welt, die sicher, aber ohne Emotionen existiert.
Die Schaffung und Steuerung der Welt von AS erweist sich als kalt und gefühllos, selbst über den Tod wird als ‚verlässt das Sonnensystem‘ (als ob die Menschen wieder zurückkommen) gesprochen. Trauer findet auch nicht statt. Drogen werden in Form von dem Namensgeber Magnon genommen, eine klare Flüssigkeit, die die Gedanken ordnet und einen in einen Zustand der Klarheit bringt. Drogen wie Alkohol oder rauschähnliche Substanzen existieren in gemäßigter Form, nur wird einem eine Spülung empfohlen, um das Gift herauszuwaschen.
Ist dies die Fortsetzung von ‚The Circle‘, welches die Computerobrigkeit und oberflächliche Gemeinsamkeit überspitzt darstellte? Vielleicht. Jedenfalls eine mögliche ferne Zukunft.
Leif Randt ist ein durchaus lesenswertes und literarisch anspruchsvolles Werk gelungen, welches andererseits aber sehr trocken, emotions- und humorlos darherkommt. Auch gelingt schwerlich eine Identifikation des Lesers zu dem erzählenden unzugänglichen Marten Elliot. Ein Massenpublikum wird es bestimmt nicht erreichen, zu sperrig ist die Geschichte im Vergleich zu Eggers umstrittenen Roman. Die Kritiker werden sicherlich jubeln.
Buchdetails:
- Aktuelle Ausgabe : 5. März 2015
- Verlag : Kiepenheuer & Witsch
- ISBN: 978-3-462-04720-2
- Gebundener Einband : 304 Seiten