Tarmac (Quelle Wikipedia)
„Der Unterdruck unter schnell fahrenden Fahrzeugen saugte den Staub und feine Sandpartikel aus der Oberfläche, was dazu führte, dass auch die gröberen Partikel ihre Verbindung verloren. Außerdem entstanden unangenehme Staubwolken. Man löste die Aufgabe der Staubfreimachung zunächst durch die Zugabe von Teer, wodurch so genannter teergebundener Makadam (engl. tarmac) entstand.“
Hope Randall ist so ein schnell fahrendes Fahrzeug. Mit einem IQ von 195 ausgestattet und einer belastenden Familiengeschichte landet sie mit ihrer Mutter in Rivière-du-Loup. Sie ist 16 Jahre alt und alle Mitglieder ihrer Familie haben eines gemeinsam – sie sehen irgendwann im Laufe ihres Lebens das Datum des Weltunterganges. Dass dieser nie eintritt, irritiert erst und lässt sie dann auf immer andere Art und Weise zerbrechen, meistens bringen sie sich nach einer Phase der Verrücktheit um. Auch ihre Mutter verhält sich komisch, hortet Tonnen von Lebensmitteln, Bibeln und muss pharmazeutische Mittel nehmen. Eines Abends schnappt sie ihre Tochter, die meisten Lebensmittel und die Bibeln und fährt mit ihrem alterschwachen Lada Richtung Osten, bis dieser den Geist aufgibt. In dem kleinen Ort, wo beide sich häuslich niederlassen, trifft Hope Mickey, der wohl der Teer ist, das Bindeglied was ihr den Boden unter den Füßen wiedergibt.
Hinzu kommt, dass seine Eltern eine Zementfabrik besitzen, er somit auch eine Affinität zu Teer hat. Die Zementfabrik soll an die Kinder vererbt werden, Mickey möchte aber lieber Literaturwissenschaft studieren. In Hope findet er eine verwandte Seele. Beide zusammen bilden ein unschlagbares Team in der Schule, wobei Hope immer die interessantesten Themen und Gedanken findet:
„Ja, aber alle Maßeinheiten sind absurd. Egal, ob man Zeit mit einem herunterfallenden Wassertropfen misst, oder mit der Schwingdauer eines Cäsiumatoms. All das sind mehr oder weniger genaue Absurditäten. Der Rest ist kulturell.“
Zwischen beiden entwickelt sich so etwas wie eine sanfte und zärtliche Freundschaft, sie kommen sich sehr nahe, bis zu dem Zeitpunkt, an dem sie ihre „Vision“ hat. Sie kennt jetzt das Datum des Weltunterganges. Nachdem sie zufällig liest, dass jemand anders diese Vison auch hat, zieht sie alleine los um diesen Mann zu finden.
Nicolas Dickner hat ein Jugendbuch geschrieben, das regelrecht vor Ideen und Humor platzt, dessen Hauptheldin eloquent und stilsicher ihre Umgebung betrachtet. Die schönsten Stellen sind die philosophischen Gespräche zwischen Mickey und Hope – mit Beschreibungen voller witziger Metaphern. Die beiden Jugendlichen leben in einer eigenen Welt, die sie sich aufbauen. Sie verschwenden auf leichte und wunderbare Art ihre Jugend, doch so langsam dringt auch die Außenwelt, in Form des Golfkrieges und anderen Katastrophen, bei Ihnen ein.
Dies ist nicht nur ein Jugendbuch. Die unverstellte Sicht auf die Welt birgt so manche Gesellschaftskritik, die Erwachsenen sind weit weg, deren Taten verwunderlich.
Dabei werden dem Leser einige (witzige) Weisheiten präsentiert:
„Die Uno-Inspektoren können sagen, was sie wollen, der Bungalow ist und bleibt die wichtigste Massenvernichtungswaffe, die im Kalten Krieg erfunden wurde.“
Bungalows, die sich flächendeckend über freie Areale ausdehnen, deretwegen die Landschaft signifikant verändert wird. Eine doch logische Schlussfolgerung, doch wie auch bei diesem Vergleich, so kann einem beim Lesen mancher Lacher auch mal im Halse steckenbleiben.
Ein faszinierendes, witziges, philosophisches Jugendbuch.
Buchdetails
- Aktuelle Ausgabe : 26. Januar 2011
- Verlag : Frankfurter Verlagsanstalt
- ISBN: 978-3-627-00171-1
- Gebunden: 249 Seiten