Stille, das ist etwas was ich sehr zu schätzen weiß. Im Garten zu liegen, die sommerlichen Düfte zu goutieren und in Ruhe zu lesen. Bis einer der umliegenden Nachbarn den Traktor oder Rasenmäher anschmeisst. Doch wie lebt es sich, wenn man nur Bruchteile von sehr lauten Geräuschen wahrnehmen kann, oder gar nichts mehr außer Vibrationen so wie es Grönemeyer in seinem Lied über das Mädchen, das Musik nur mag wenn sie laut ist singt, „wenn der Boden unter den Füßen bebt“?
Wohl die wenigsten von uns haben die Bekanntschaft von Gehörlosen gemacht. Wie ist es in einer stillen Welt zu leben und damit klarzukommen, dass alle um einen herum hören können und die Kommunikation sehr erschwert ist, besonders weil man ja niemandem ansehen kann, dass er nicht hören kann. In Klartext beschreibt die selbst nicht hörende Autorin Sara Novic wie es sich in unserer Welt der Hörenden lebt. Gleichzeitig erzählt sie von aus der Geschichte der Gebärdensprache(n), erklärt wie sie funktioniert und deutet an dass Cochleaimplantate nicht unbedingt das Allheilmittel sind.
Die River Valley School ist eine Schule für Gehörlose. Egal welcher Ausprägung. Es gibt SchülerInnen mit Resthörvermögen dank Implantaten oder Kinder die bereits ohne Hörsinn geboren wurden, solche deren Eltern selbst nicht hören können und welche mit hörenden Eltern. Austin Workman entstammt einer gehörlosen Familie, er ist sozusagen alter Adel. Charlie hat Eltern die hören können und eine Mutter die alles daran setzt ihr das Hören mittels teurer (USA) Cochleaimplantate zu ermöglichen, sie wollte nicht, dass ihre Tochter die Gebärdensprache erlernt und so landet Charlie erst dann auf der Valley River School als ihre verzweifelten Wutausbrüche, weil keiner sie versteht und sie niemanden an ihrer alten Schule verstanden hat und ihre miserablen Noten keinen anderen Weg mehr zuließen. Nun soll sie sich also an der neuen Schule integrieren und diese für sie neue Sprache lernen, zusätzlich zum Unterrichtsstoff. Austin so hat es February Waters die Direktorin bestimmt soll ihr als „Pate“ zur Seite stehen, die Schule erklären. Und Charlie wünscht sich so sehr endlich einmal dazuzugehören. FreundInnen zu finden, angenommen zu werden, ankommen um weiterzuwachsen.
Klartext, also True Biz, so der Originaltitel möchte Direktorin February sprechen, wenn es um Ärger geht. Und den gibt es als sie morgens aufwacht und feststellen muss, dass erst zwei, letztendlich aber drei SchülerInnen verschwunden sind. Die laute Welt kann gefährlich sein für jene die in der Stille leben. So kann es lebensbedrohlich sein In den USA nicht den Anordnungen eines Policeofficers Folge zu leisten .
Dieses Buch hat mich schockiert, erstaunt, fasziniert und berührt. Die Geschichte dieser Teenager die alle unterschiedliche Erfahrungen gemacht haben und die Grausamkeit der gehörlosen Menschen ausgesetzt sind seit jeher und und teils auch noch bis in die Gegenwart macht sprachlos.
In Klartext haben alle ihre ureigenen Probleme. Von der Direktorin bis hin zu den Schülern. Sara Novic erzählt all diese Geschichten mit leichter Hand und ebensolcher Sprache. Sie erzählt von einer Welt, über die ich mir bisher nie Gedanken gemacht habe. Einer stillen Welt. Wohl auch deshalb sind die Blurps von Celeste Ng und der New York Times so euphorisch. Ich hätte etwas verpasst ohne diese Buch.
Klartext von Sara Novic ist im April 2025 bei btb als Hardcover erschienen. Weitere Informationen bei Klick auf das Cover oder auf der Verlagsseite.
