Tödliche Partikularinterressen 

Zur Jagd hatte ich, auch weil mein Vater und Bruder Jäger sind, immer eine sehr klare Haltung. Ich mag sie nicht, würde keine Tiere töten wollen, einzige Ausnahme, wenn es darum ginge ihr Leid zu beenden. Die Lust am Töten finde ich befremdlich. Jäger führen an, sie würden das Wild hegen, faktisch schleifen sie im Winter Futter an festgelegte Plätze um auch den schwachen Tieren ein Überleben zu ermöglichen, damit es zur Jagdzeit dann einen Überschuss gibt, den sie dann natürlich dezimieren müssen um keinen Ärger mit den Landwirten und Förstern zu bekommen. Jäger sind für mich Machos, die ihre Hyper-Männlichkeit demonstrieren wollen indem sie töten. Sie netzwerken in diesem doch sehr elitären „Hobby“ (siehe Philipp Amthor und etliche andere Politiker, meist rechtskonservativ), sie gehören einer herausgestellten gesellschaftlichen Gruppe an, die Waffen tragen darf. Übrigens habe ich auch schon geschossen, allerdings nur mit Luftgewehren und ich verstehe durchaus die Freude daran, zu zielen und zu treffen (sorry Oma für die geköpften Tulpen).

Wobei ich ehrlicherweise etwas ambivalent bin, was das Fleisch angeht. Ich esse gerne Wildschwein und habe dabei auch noch das gute Gefühl, dass das radioaktiv belastete Tier zumindest ein schöneres Leben hatte, als seine armen, in Ställe gepferchten Fleischlieferanten für die industrielle Fleischherstellung, die im Vergleich mit der Jagd Millionenfaches Tierelend produziert, und die Quälerei aus Profit beschert den Tieren fortdauerndes Leiden bis zum Ende.

Die Jagd an sich, das Aufspüren und Verfolgen der Beute hat für mich keinerlei Reiz. Meine „Jagden“ sind nachts im Sommer, wenn es am Ohr sirrtt und man weiß, man muss diesen kleinen Blutsauger erwischen, bevor er zusticht, oder wenn ich shoppen gehe und eine Klamotte entdecke, die ich haben möchte und die gezielte Suche nach Leseabenteuer die mich reizen, das sind meine einzigen Jagderfahrungen. Wobei nur die Stechmücken die Verfolgungsjagd bieten, und das ist keine Erfarung sondern ein Ärgernis. Notwendiges Übel.

Hunter White, dessen Geschichte in „Trophäe“ sehr exquisit erzählt wird, die flämische Autorin Gaea Schoeters erhielt dafür den Literaturpreis Sabam for Culture, ist da ein ganz anderes Kaliber. Ein sehr reicher amerikanischer Trophäenjäger aus Passion, der dafür gezahlt hat, seine Lizenz für einen Nashornabschuss in Afrika in die fehlende Big Five Trophäe umzuwandeln. Dafür ist er angereist und  er ist es gewohnt zu bekommen was er möchte …

Die hohe Kunst der Autorin besteht darin, diesen Mann und seine Faszination für die Trophäenjagd so fesselnd zu erzählen, dass man dem Sog dieser Geschichte erliegt, auch wenn man für die Jagd nichts übrig hat. Ich konnte die Ambition des so treffend benamsten Jägers verstehen, wenn auch nicht begreifen. Dieser Großkapitalist, der den Rausch und die Ekstase sucht in einem Kontinent der bereits derart ausgebeutet wurde.

“No prey no pay “  ein all inclusive Jagderlebnis ist es, was er da gebucht hat und auch wenn er sich damit rechtfertigt, dass er Gutes für die Einheimischen tut und Naturschutz betreibt: Er ist (mir zumindest) widerwärtig, seine Gedankengänge allerdings sind nachvollziehbar. Aus seiner Perspektive, die Gaea Schoeters so gnadenlos zu der der LeserInnen macht, auch wenn sie diese Gedanken nicht teilen. Man muss weiterlesen, weil man einerseits erfahren möchte was geschehen wird, wird er tatsächlich Jagd auf die Big Six machen, einen Menschen jagen und töten und wie rechtfertigt er das, denn komplett ohne Moral ist er nicht. Wird seine Lust die Oberhand behalten?

„Seine Jagdexpeditionen haben ihn  schon öfter zu abgelegenen Flecken der Erde geführt, aber hier in diesem flachen Riss der Erde, begegnet er etwas, das er noch nie zuvor gesehen hat: Das hier ist der Glanz aus der Zeit vor der Zivilisation. Ein Mikrokosmos in einem völlig natürlichen Gleichgewicht.“

Konfrontiert mit einer anderen Zivilisation, dem Leben der Einheimischen ist es es leicht, den moralischen Kompass umzupolen, dabei bleibt Hunter White ein Mensch mit Wertekodex, auf seine Art. Es ist spannend und unfassbar gut geschrieben.

Eine wirklich grandiose Geschichte, die immer wieder neue Fragen aufwirft für die LeserInnen, egal, wie sie zur Jagd stehen. Selbst wenn man keine Meinung zu dieser Thematik hat, lohnt es sich dieses böse schmale Buch zu lesen.

Ein absolutes Highlight im Lesejahr 2024. Uneingeschränkte Leseempfehlung und das obwohl Denis Scheck diesen Roman ebenfalls wärmstens empfiehlt.

Chapeau!

Trophäe von Gaea Schoeters ist im Februar 2024 als Hardcover beim Paul Zsolnay Verlag erschienen. Weitere Informationen bei Klick auf das Cover oder auf der Verlagsseite.

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