Ein betörender Buchgenuss

 

Das in „Die Stadt der träumenden Bücher“ von Walter Moers geschilderte Schicksal des jungen und unbedarften Literaten Hildegunst von Mythenmetz steht wahrscheinlich exemplarisch für so viele Autorinnen und Autoren, die durch zu viel Neugierde und Ahnungslosigkeit in die Fänge dubioser Literaturagenten und vermeintlicher Förderer geraten und ebenso wie von Mythenmetz traumatisierende Erlebnisse erdulden zu müssen, um am Ende entweder unentdeckt zu sterben oder aber die Tortur durchzustehen und dann echten Stoff für einen literarischen Durchbruch in sich zu tragen.

Walter Moers nimmt sich in „Die Stadt der träumenden Bücher“ dieses Kampfes um eine Etablierung und Überleben in der Verlagslandschaft auf seine ganz eigene Weise an, indem er das Schlachtfeld um Publikationen aller Art kurzerhand nach Zamonien verlegt und mit Buchhaim eine Stadt erschafft, die als Zentrum des Buchwesens und allem, was damit verbunden ist, fungiert.

Buchbegeisterte jeglicher Couleur pilgern aus den unterschiedlichsten Gründen aus allen Teilen Zamoniens nach Buchhaim, wo sich wirklich alles um Bücher dreht.

Man wird als gestrandeter Bewohner der guten alten Erde schon ein wenig neidisch; gerade wenn man Bücher schätzt und während der Lektüre erfährt, dass das oberirdische Buchhaim nur die Spitze eines gewaltigen Eisberges ist.

Denn unter dieser altehrwürdigen Stadt voller Antiquare und Lesestuben erstreckt sich das Labyrinth der Bücher, das tiefer und weiter reicht, als so manches Vorstellungsvermögen.

Die Stadt der träumenden Bücher“ ist ein Geschenk mit einer darin innewohnenden Abrechnung mit der rücksichtslosen Ausbeutung von vielversprechenden Talenten oder ihrer ordinären Zerstörung, denn eine eingelegte Lindwurmschreibklaue beispielsweise kann in dunklen und wenig besuchten Winkeln in Buchhaim ein stattliches Sümmchen einbringen.

Es ist eben nicht alles licht, was sich ums Manuskript und dessen kommerzielle Ausbeutung dreht.

Hildegunst von Mythenmetz gerät schließlich in die unlauteren Fänge der vielleicht gefährlichsten Art von Lebewesen, nämlich in die eines Wahnsinnigen und hat danach alle Hände voll zu tun, um wieder lebend aus dieser spektakulären Abenteuergeschichte herauszufinden.

Vielleicht gründet sein späterer Hang zu Hypochondrie in eben jenen haarsträubenden Erlebnissen unterhalb von Buchhaim.

Walter wird’s wissen, denn diese einzigartige Geschichte mit Kultstatus ist ebenso wie alle anderen auch seiner hochpotenten Phantasie entsprungen und ist auch nach 20 Jahren seit ihrem Erscheinen ein betörender Buchgenuss.

Geruede – stets einen Teil im Labyrinth lassend

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