Eine Ehe oder eine langjährige Beziehung ist etwas Hochkomplexes. Von außen fast undurchschaubar, haben sich die Partner etwas Eigenes, Verbindendes angeschafft, das Fremde nicht so wirklich erfassen können. Auch Freunde der Paare oder Freunde der einzelnen Personen sind manchmal fassungslos, wie Paare miteinander ticken. Jahrelange Verfeindungen hindern diese nicht, zusammenzubleiben, ja eine regelrechte verschwörende Einheit zu bilden, wenn es darauf ankommt.
„Die Ehe ist wie ein Computer. Man kann sie auseinandernehmen, um nachzuschauen, was drinsteckt, aber dann hat man hinterher hunderttausend Einzelteile in der Hand.“ (Tom zu Louise)
Doch sind Trennungen unvermeidlich, die Zeit und der Alltag nagen an der Liebe und die Zahnpastaspritzer am Waschbecken sind auf die Dauer nicht zu ertragen. Sich als Paar immer wieder neu zu erfinden, Probleme gemeinsam durchzustehen, sind das Essentielle einer jeden Beziehung. Doch dies ist manches Mal ohne fremde Hilfe nicht zu schaffen.
Paartherapien sind wichtig und manchmal das letzte Mittel um eine Beziehung zu retten.
So wie bei Tom und Louise, die sich, in Szene eins, in einem Pub treffen, um gemeinsam zu der Paartherapeutin die Straße gegenüber zu gehen. Louise, eine Ärztin, die das Geld verdient, Tom, ein etwas erfolgloser Musikjournalist (fühlt sich durch die Digitalisierung als Kohlekumpel oder Hufschmied), beide haben zwei Kinder. Sie hat sich in der Ehe gelangweilt, keinen Sex gehabt und hat ihn betrogen. Das Übliche, solche Geschichten erleben wir tausendfach.
„‚Weißt du, was das eigentliche Problem ist, wenn man keinen Sex hat?‘ ‚Ich sehe jedenfalls, dass du davon ziemlich miese Laune bekommst‘, sagt er. ‚Es führt dazu, dass man alles neu bewertet. Wenn du mit jemanden zusammenlebst, mit dem du Sex hast, dann denkst du: Ach ja, ich bin mit ihm verheiratet. Ehrlich gesagt denkst du nicht mal das. Du lebst einfach dein Leben. Aber wenn man den Sex streicht, dann bleibt nur … dass du die Wohnung mit irgendeinem Typen teilst, der ständig mault und sich über deine Bettlektüre lustig macht. Ich meine, was macht der Typ überhaupt in meinem Bett?‘“
Es ist eine andere, ehrliche Abrechnung mit einer Ehe, die Tom und Louise uns hier in zehn Dialog-Szenen zeigen. Eine Art Kammerspiel, das sich immer nur vor der Kneipe der Therapeutin abspielt. Die Therapiestunde bekommt der Leser nur indirekt mit. In diesen zehn Wochen entwickelt sich das Gespräch der beiden und auch ihre Beziehung, ja der Leser spürt, dass sich jeder der Ehepartner auch Mühe gibt und sich Gedanken über ihre Ehe macht, sich in jeder Szene weiterentwickelt.
„Aber vielleicht ist es das, was wir von der Ehe erwarten. Ein Perpetuum mobile, dem nie die Energie ausgeht. Aber dann kriegen wir Kinder und einen Hypothekenkredit, und wir haben deine Mutter und meinen Vater, Arbeit, keine Arbeit … wie kann man sich von alldem nicht aufreiben lassen.“
Die Ehe braucht Energie, immer wieder, um zu bestehen. Tom und Louise lassen kein Thema ihrer Ehe aus. Was das Buch abhebt von anderen Beziehungsbüchern, ist diese Leichtigkeit, mit der Nick Hornby diese Themen anschneidet. Es geht um Syrien, Delfine, schiefe Ebenen und Gips. Einen Gips den sich der passive Tom zuzieht, als Louise erzürnt ob seiner Mutlosigkeit, ihn anschieben will und er fällt. Gerade dieses Passive, das Frauen an Männern, die sich in ihrer Beziehung oft ausruhen, bemängeln.
Die Dialoge sind sehr amüsant und pointiert, als Vergleich würde ich das Kammerspiel ‚Der Gott des Gemetzels‘ heranziehen, wenn auch mit verschiedenem Ende. Ein Buch nicht nur zum Schmunzeln und ja, irgendwie ein typischer Screwball-Hornby.
„‚Ist das die Zukunft? Es durchstehen?‘ ‚Ich wäre mit Durchstehen zufrieden‘, sagt Louise.‘ Das ist doch das Ziel jeder Ehe, oder? Ich weiß gar nicht, ob es noch was anderes gibt.'“
Keiner hat gesagt, dass du ausziehen sollst von Nick Hornby ist 2020 im Verlag Kiepenheuer und Witsch erschienen. Weitere Informationen über einen Klick auf das im Beitrag abgebildete Cover oder auf der Verlagsseite.
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