Heute aus der Rubrik: Lügenpresse

RvF

Frau Erna Kleinert erschrak sich beinahe zu Tode, als sie vergangenen Sonnabend Vormittag zur besten deutschen Wäschetrocknungszeit ihren neuen Wäscheständer aufstellte, die jeweiligen Flügel der vier Ebenen in der Horizontalen einrasten ließ, und urplötzlich die Stimme von Herrn Schmidt aus dem Hochparterre links erkannte, die aus besagtem Wäscheständer heraus nuschelte.

Ihrer Aussage nach fragte er in diesem Moment seine Gattin, warum sie eigentlich keinen Sex mehr hätten.

Daraufhin unternahm Frau Erna Kleinert erschrocken und zugleich peinlich berührt einen kraftvoll ausgeführten Satz nach hinten und fasste sich an die Brust.

Ihr fiel es wie Schuppen von den Augen und sie sah ihren eben erworbenen Wäscheständer in einem gänzlich neuen Licht. – und zwar weit jenseits des grellen, des Angebot heischenden.

Ihr fiel auf, daß die Anordnung der einzelnen Flügelpaare auf dem Grundgerüst bei genauerer Betrachtung einer alten, herkömmlichen Fernsehempfangsantenne ungemein ähnelte. Nur eben weitaus kompakter und in ihrem Fall mit einer baumelnden kamelbraunen Socke.

Und ein ungeheuer Verdacht stieg ihr gemächlich ins Bewußtsein.

Konnte es tatsächlich sein, daß dieses Ding noch einer ganz anderen Aufgabe nachkam, als nur die nasse Wäsche der Käuferin fortan ins Trockene zu tragen?

War es möglich?

Ähnliche Gedanken mögen auch Gottfried Herner beschäftigt haben, als er angab, plötzlich seinen verhassten Nachbarn dabei zuhören zu müssen, wie dieser es seiner Frau in ihrem quietschenden Bett besorgte und es trieb ihn zur Weißglut.

Später hinzugezogene Polizeibeamte gaben an, daß sie in unmittelbarer Nähe zu Herrn Herners Wäscheständermodell, welches mit Frau Kleinerts identisch ist, zwar keine Lautäußerungen vernahmen, die auf einen erfreulich verlaufenden Koitus schließen ließen, jedoch wurden sie akustisch Zeugen eines ausgewachsenen Streits zwischen einer Frau und einem Mann, die jedoch nicht anwesend waren.

„An diesem Punkt entschieden wir uns, den Staatsschutz hinzuzuziehen.“, gab Oberwachtmeister Werner Mützel später zu Protokoll.

Und auch dieser staunte nicht schlecht, als er ins Bild gesetzt war und informierte nun seinerseits die Spionageabwehr. – Und sicherheitshalber noch Europol, die NATO und den militärischen Abschirmdienst.

Danach war der Akku leer und der Staatsschutz erkundigte sich nach einem möglichen Vorhandensein eines Ladekabels.

Keine 24h später waren sich gut ein dutzend nationaler und europäischer Dienste und Fernsehsender einig, daß es bei besagten auffälligen Wäscheständern um weit mehr geht als nur ums Wäschetrocknen.

Doch wer hat sie in Auftrag gegeben? Und wozu? Wer langweilt sich dermaßen, daß sie oder er ein vitales Interesse an den nichtssagenden Gesprächen von Fr. Kleinert und Co. entwickelt?

Nur jemand, dem es vielleicht vordergründig um Frau Kleinert und all die anderen Bürgerinnen und Bürger geht. Jemand, der das ganze Hirn verdorrende Gequassel in Kauf nimmt, um ganz bestimmte Zeitgenossen aushorchen zu können.

Aber um wenn handelt es sich dabei genau?

Wessen durchtriebenes Spiel wurde da zufällig aufgedeckt?

Oder waren die Produktionsfehler am Ende gewollt?

Niemand scheint auch nur eine Ahnung zu haben, was Dahinter stecken könnte und das sorgt bei allen Beteiligten für eine berufsbedingte gruselnde Beunruhigung.

Den Autor dieser Seltsamkeit mit eingeschlossen.

Geruede, im ständigen Austausch mit dem Fachhändler seines Vertrauens

2 Gedanken zu “Heute aus der Rubrik: Lügenpresse

  1. Bester Bernd!
    Meiner verspäteten Antwort geht keinerlei schriftstellerische Arroganz voraus. Vielmehr ist dies der vorherrschenden täglichen Intensität meines Erlebens geschuldet.
    Deine Reaktion auf meinen Text empfinde als wohltuend erfrischend. Und er kommt mir persönlich sehr gelegen. – Nur soviel dazu!
    Zur Zeit knabbere ich an einem kurzen Kabarett Stückchen herum. Textlänge wieder eine Seite. Vielleicht gehe ich sogar heute noch auf eine Stand up comedy Bühne im kleinen Rahmen. Das soll mir gut tun. – Hoffentlich geht die Rechnung auf.
    Doch der Text könnte auch hierher passen. Ich lass mir das mal durch den Kopf gehen. Was meinst Du denn?

    Grüsslis Geruede

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  2. Hallo Geruede, Dein Text ist phantasievoll gelungen und obendrein phantasieanregend. Nachher leere ich den Wäscheständer und lausche. Gute Wünsche und Grüße Bernd

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