Flowerpower goes SciFi die zweite

Künstliche Intelligenz ist eines der beiden Hauptthemen von Becky Chambers zweitem, langersehnten Roman. Die KI Lovelace, besser bekannt unter dem Nick Lovey, wie die Besatzungsmitglieder der Wayfarer sie liebevoll nannten, ist zwar futsch, doch konnte sie reanimiert und rebootet  werden:  zumindest was von ihr übrigblieb. Technikerin Pepper nimmt sie unter ihre Fittiche und kümmert sich um ihr Wohlbefinden. Nicht ungefährlich für alle Beteiligten, gibt es doch seitens der GU (Galaktische Union) strenge Bestimmungen darüber, wie KIs, also künstliche Intelligenzen, verwendet werden dürfen.

Bereits dieser Plot birgt großes Potential. Ethisch und moralisch ist diese Regelung durchaus zu hinterfragen. Die fiktive GU macht es sich hier ebenso einfach, wie die heute lebenden Homo Sapiens in Bezug auf die Primaten: Die großen Menschenaffen, wie Gorilla, Orang -Utan und Schimpansen die eine überwältigende Genübereinstimmung mit uns haben, unzweifelhaft über Intelligenz verfügen und die noch immer keinen offiziell gültigen Schutzstatus haben. Gesetzlich werden unsere engsten Verwandten behandelt wie alle anderen Tiere. Insofern verwundert wenig, dass in Chambers zukünftiger Welt die KIs diesselbe Behandlung erfahren wie Toaster. Chambers geht auch weniger auf den Umgang mit den KIs ein sondern widmet sich in „Zwischen zwei Sternen“ dem Gefühlsleben von KIs respektive Lovelace‘ die sich in ihrem menschlich gestalteten Kit nun Sidra nennt. Das ist spannend und faszinierend, bietet viel Anlass zum Nachdenken in Hinblick auf derartige Existenzen und den Umgang mit ihnen in naher Zukunft.

Leider musste ich kürzlich, mal wieder einen Teil der Terminator was – weiß – ich – wieviel – ologie ertragen, da Sohn und Göttergatte den Schrott mögen. (Sohn fand es übrigens später auch dämlich, was aber auch an synchron kommentierender und  beeinflussender Beurteilung meinerseits gelegen haben könnte – übrigens macht frau sich damit unbeliebt). Die Action dort, heroisch und machomanmässig lässt sich mit Chambers gezielt und gekonnt eingesetzter Action und deren Spannungsgrad nicht vergleichen. Chambers punktet durch Inhalt, beherrscht dabei durchaus auch die Actionszenen. Eben SciFI 4.0.

Der zweite Plot, in der Vergangenheit spielend, erzählt das Leben von Pepper die als eigens gezüchtete Arbeitssklavin auf einem von humanoiden besiedelten Planeten aufwuchs. Dieser Plot veranschaulicht zusätzlich das Thema des anderen Handlungsstrangs aus einer gänzlich anderen Perspektive. So trocken sich die Inhaltsangabe liest, so bunt und liebevoll zeichnet Chambers ihre Charaktere, macht ihre Handlungen und Gefühlswelt erleb- und begreifbar. Das liest sich ebenso fluffig weg wie ihr erstes Buch aus dem Wayfarer Universum und setzt wie diese den erzählerischen Schwerpunkt auf die Protagonisten, ohne das Beiwerk, die Ausgestaltung der Welt/en, zu vernachlässigen.

Wer sich wie ich eine Wiederholung von „Der lange Weg zu einem kleinen zornigen Planeten“ wünschte, wird sich umstellen müssen. Es fehlen liebgewonnene Charaktere, ein wenig fehlt das All und ein klein wenig mehr Gadgetvorkommen hätte es auch sein dürfen, doch am Ende ist „Zwischen zwei Sternen“ ebenso packend, eine würdige, abenteuerliche Fortsetzung ohne Wiederholung und es ist alles drin was einen guten SciFi ausmacht. Großartig und intelligent entwickelt Becky Chambers ihr Universum weiter, wendet sich hochaktuellen Themen zu und packt sie in eine potentielle Zukunft.

Chambers lässt schlicht den ganzen Machodreck (ab und an, wenn es nicht gerade der Terminator ist, pfeif ich mir das auch ganz gerne rein) der in der klassischen SciFi oft dominiert außen vor und siehe da, es funktioniert bestens. Clevere, niveauvolle  Unterhaltung mit Herz zusätzlich zum Hirn. Technologie, die in ihrer Anwendung erwähnt wird und keine öden Technikergüsse die Leser*innen zu besserem Einschlafverhalten verhelfen. Im Gegenteil, auch bei diesem Roman habe ich wieder Nachtschichten einlegen müssen.

Da ist es schön, zu wissen, dass sie an einem weiteren Buch im Wayfarer Universum arbeitet und ich bin sehr gespannt welchem Thema sie sich diesmal zuwenden wird. Frau Chambers  hat das Niveau mit „Zwischen zwei Sternen“ noch einmal hochgeschraubt.

Buchdetails

  • Erscheinungsdatum Erstausgabe: Januar 2018
  • Verlag: FISCHER Tor
  • ISBN: 978-3-596-03569-4
  • Flexibler Einband: 464 Seiten

16 Gedanken zu “Flowerpower goes SciFi die zweite

  1. Beginnen würde ich mit dem Armaggedon Zyklus. Band 1 „Die unbekannte Macht“ . Die Commonwealth Saga ist auch empfehlenswert.
    Ganz heißer weil wirklich witziger Tipp ist die dreibändige Geschichte der kolonialen Union von John Scalzi. “ Krieg der Klone „ist der Anfangsband. Der kommt m. E. auch näher an Chambers ran, ist aber etwas Technik lastig, aber nicht so sehr wie andere.
    Viel Spaß

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  2. Erst gestern habe ich mit diesem Buch begonnen. Und es ist wie das vorige ein Buch zum Verschlingen! Obwohl es keine direkte Fortsetzung des „Zornigen Planeten“ ist, bin ich sofort gefangen. Ich mag diesen unaufgeregten Stil und die Charaktere. Dank eurer Kommentare bin ich jetzt aber auch neugierig auf Peter Hamilton 🙂 Welches lohnt sich denn?

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  3. yay, willkommen 🙂 und danke 🙂
    ich weiß, was Du meinst. Ich denke, man könnte ihm bemängeln, dass seine weiblichen Figuren grundsätzlich jung und schön sind. Also immer. Dass seine weiblichen Figuren die sexuellen Klischees bedienen, die er teils sehr geschickt als sexuelle Selbstbestimmung tarnt (siehe das junge Mädel in der Commonwealth Saga, die sich zur Starreporterin entwickelt, ich erinner mich grad nicht an ihren Namen, aber sie ist da ein gutes Beispiel, wie sie Sex als Waffe einsetzt, was Frauen ja gern unterstellt wird).
    Auch sind die wahren Helden seiner Romane immer Männer, auch wenn Paula Myo da eine Ausnahme sein könnte, aber sie ist ja nur ein Teil der Randhandlung nicht Bestandteil der wirklich großen Abenteuer). Ich glaub, wenn ich anfange zu suchen, finde ich noch jede Menge mehr davon.

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  4. Keine Frage, ich liebe Hamilton samt seiner Opulenz ebenfalls, aber so ganz equal empfinde ich ihn nicht. Wie gesagt, bisher konnte ich den Finger nicht drauflegen WAS genau mich da so ein Winzigkleinesbisschen stört. 😉
    Habe gerade deinen Blog entdeckt, hätte ich schon eher finden müssen. Klasse, Futter in Mengen , sehr schön!
    LG
    thurs

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  5. Ich persönlich liebe Hamilton. Er schreibt sehr ausschweifend, ist was das angeht quasi der Stephen King der Space operas aber ich liebe es. Als klassischen Macho hätte ich ihn da nicht eingestuft. Ganz im Gegenteil, grad in seinen Commonwelth-Universum sind die Geschlechterrollen eher modern und nicht zu festgefahren und auch durchaus interessant. Er hat da einige interessante Aspekte drin. Aber ich liebe seine Bücher wirklich sehr und bin da wahrscheinlich viel zu biased xD Für mich gilt als Machodreck, wenn in Büchern die typischen Geschlechterrollen zum Leben dazu gehören ohne kritisch hinterfragt zu werden, sondern einfach nur der Lückenfüller sind um die geschaffene Welt zu beleben.

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  6. Was hältst du in diesem Zusammenhang von Peter F. Hamilton? Er ist erzählerisch sehr Mann, allerdings emanzipierter , doch vorherrschendes Thema bei ihm ist Macht (speziell weil er viel Politik Gesellschaft mit einbringt )auch wenn diese zum letztendlich Guten genutzt wird. Ich bin unschlüssig.

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  7. das sehe ich genauso. Erst an anderer Stelle hatte ich dazu geschrieben, dass mich grad bei älterer SF-Literatur stört, dass sich die Herren Autoren da alles mögliche vorstellen konnten, jedoch ihre alten Geschlechterrollen beibehalten haben. Das sehe ich ihnen als Produkt ihrer Zeit nach, allerdings ärgert es mich besonders bei neuerer SF-Literatur, wenn da alt-hergebrachtes durchgekaut wird und an alten Rollenbildern festgehalten wird.

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  8. Hach diese uneigennützigen Buchgeschenke *G* Mach hin, ich denke es gefällt. Der Lütte hat sich auch schon drauf gestürzt und der Göga ist in Lauerstellung.

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  9. Ja der Machodreck, als Mutter von zwei Söhnen kommt frau nicht ganz drumrum, aber es ist auch schön, wenn gerade in diesem Genre die Welt aus differenzierter Sicht erscheint. Zumal Action auch zu haben ist nur anders. Mich hat sie auch als Fan seit Band 1.

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  10. Das freut mich ganz besonders! Sie ist ja noch eine junge Autroin und ihr Debüt hat mich umgehauen, wie du ja mitbekommen hast und wenn das dann viral geht ist das wunderbar 🙂

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  11. Ich fand die Fortsetzung auch absolut genial und äußerst gelungen. Und Machodreck….das hast Du schön gesagt. Darauf könnte ich auch öfters mal verzichten in Büchern xD Ich wusste nicht, dass es noch einen weiteren Band im Wayfarer Universum geben wird, aber so oder so werde ich mir den holen und verschlingen und überhaupt. Ich bin zum Becky Chambers Fangirl mutiert. Hätte nicht gedacht, dass sowas passieren kann xD Aber ich liebe die beiden Bücher und die Figuren und die Welt und den fehlenden Machodreck ❤

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