Berliner Stadtblatt Nr. 4

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JamesQube auf pixabay

Nicht weit weg davon

Andreas Rottrik in Unterhemd und Trainingshose aus dem eurasischen Raum lag gut in der Zeit, die er allerdings auch heute wieder am liebsten totgeschlagen hätte.

Da war aber nichts zu wollen.

Niemand brauchte ihn. Niemand wollte ihn. Keiner wußte um ihn. Außer dem Amt natürlich. Die wußten alles. Welche Unterhosengröße er trug und so. Und sogar wann er scheißen ging.

Andi grinste verschlagen.

Das hatte er der Alten vom Amt unter ihre breite Nase gerieben. Wollte die ihn doch glatt zu so nem Ausländerladen schicken. Aber nicht mit ihm! Da hat er zu ihr gesagt, daß er zu dieser Zeit nicht könne, weil er da immer am Scheißen sei. Und zwar so richtig! Und das war wichtig. So ’ne Familiensache. Wenn er da nicht auf die Schüssel kam, ging gar nichts mehr.

Sie war sich nicht sicher, ob man Derlei ärztlich attestieren lassen konnte und schickte ihn mit der Aussicht nach Hause, daß sie sich bei ihm melden würde, sobald was Passendes reinkäme.

Das war vor fünf Monaten. Verdammte Scheiße.

Was war nur aus diesem Land geworden? Brauchte man etwa keine Holzfäller, Drucker und meinetwegen auch Kunstblumenhersteller mehr? Männer, die noch zupackten? Das war doch Wahnsinn!

Den Fijis machte er keine Vorwürfe. Die mit ihren Blumenläden und der ewigen Zigarettenschmuggelei. Könnten aber auch mehr in Deutschland hergestellte Kunstblumen in ihre Läden stellen.

Und die Döner Fritzen gingen ihm am Arsch vorbei. Wer wollte schon den ganzen Tag in so einer beschissenen Bude stehen?

Alte rumschieben und Ärsche auswischen konnten von ihm aus gerne die ollen Osteuropäer für ’nen Appel und ’nen Ei erledigen. Er war mit denen fertig.

Nein, er wollte ’nen richtigen Job in ’ner richtigen Fabrik. Wo man richtig hinlangen mußte und nicht alles von alleine lief. Was war das denn? Die spinnen doch. Machen alles kaputt mit ihren Scheißmaschinen. Und wer soll den Dreck dann koofen, wenn keener mehr Arbeit hat? Daran hamse nich jedacht. Diese Rotzhirne!

Eine Schande ist das! Und Niemand, der zuständig ist. Niemand, der sagt. Schluß jetzt! Wir brauchen diese Arbeit. Damit wa nich vor die Hunde jehen.

Aber sagt ja keener.

Ja, Bank müßte man sein. Da wird man gerettet. Und mit Geld überschüttet.

Eine Schweinerei war das.

Andreas Rottrik war entäuscht und wütend und verstand einfach nicht, warum Banken so viel mehr Wertschätzung erfuhren als gute deutsche Wertarbeit.

Als dann noch ein hoher Bankvolkswirt im Morgenprogramm befragt nurmehr in einem Finanzkrauderwelsch salbaderte, platzte Andreas Rottrik der Brustabschluß seines Unterhemds.

„Ach halt doch dein Scheißmaul, du scheiß Fatzke!“, schrie er den Fernseher an, daß ihm die Adern am Hals hervortraten. „Blablabla äh wie sieht doch gleich ein Gewindeschneider aus? – Ach leck mich am Arsch! Ich hab die Faxen sowas von dicke! Am liebsten würde ich jetzt…“, er brach ab und schaute verschlagen vor sich hin.

„Oh ja! Es wäre wirklich mal an der Zeit, den Herrschaften einen Besuch abzustatten.“, fuhr er sichtlich angetan fort.

Er traute sich kaum, die Idee weiterzuspinnen, so anziehend und erbaulich fand er sie. Das fühlte sich verdammt gut an. Und richtig. Und längst überfällig. Es war so einfach.

Andreas Rottrik wird dann wohl dazu übergegangen sein, seine Wohnung nach geeigneten Gegenständen abzusuchen.

Mehr weiß ich allerdings auch nicht.

 

Eine Auswahl an weiteren Texten von Geruede findet sich auf seinem Blog: https://geruede.wordpress.com

13 Gedanken zu “Berliner Stadtblatt Nr. 4

  1. Frau möchte halt, dass ihre Adressaten noch ein wenig mitdenken müssen. Jene welche ;)) nd nrgsprn. Wir knntn ll vl mhr nrg sprn, wnn wr f d Vkl vrzchttn. Grd z dsr Jhrszt shr ntzlch.
    Lb Grß
    thrs

    Gefällt 2 Personen

  2. So so.
    Das erklärt Einiges.
    Aber es wird da noch eine Querverbindung geöffnet werden, die das weitere Geschehen aus einer anderen Perspektive heraus betrachtet.
    Grüsslis

    Gefällt 1 Person

  3. Ausführlich: Jener Mensch den du beschriebst, der da an seiner lebenssituation versaubittert gäbe den perfekten Internet Troll ab. Dazu muss er auch nicht die Couch verlassen. Ich habe mich in die „Trollsituation“ versetzt. Sozusagen ein empathischer Kommentar. Ein ProllLyrik Versuch. Hat Bri dir das so verkauft? Wenn noch Fragen. Phone.
    Liebe Grüße
    thurs

    Gefällt 2 Personen

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