Die Achte Todsünde

Sieben! Was für eine Mystik verbirgt sich hinter dieser Zahl. Die sieben Weltwunder. In sieben Tagen wurde die Welt erschaffen (jedenfalls nach der Bibel). Sieben Tage hat die Woche. Es gibt die sieben Zwerge. Mancherorts gilt sie als Glückszahl, wobei in vielen Ländern Asiens ist sie eine Unglückszahl. Und natürlich die sieben Todsünden.

Da gibt es einen, der ist auf der Schwelle zum Hamsterrad. Auf der Schwelle zur dreißig, die Zukunft birgt Kinder, Festanstellung und Langeweile. Das Cover zeigt den, der da schreibt. Jung, wild und voller Hoffnung will er sein. Ein junger Wilder, einer der im Club 27 ankommen will. Einer, der was erleben will, den es in die Welt drängt, der Rimbaud sein will, der nicht bis zur Rente warten will.  Einer der Angst hat und schreibt, wie es in den ersten Sätzen heißt. Und der eine Reifeprüfung bekommt, alle sieben Todsünden zu durchleben und in sieben Nächten dem Unbekannten einen Text abzuliefern, um die Prüfung zu bestehen.

Aha! Also wir haben hier hohe Literatur, oder solche die es werden will.

„Ich bin schon als Schwächling auf die Welt gekommen und meine Privilegien haben mich nur noch weiter geschwächt. Was Gefahr heißt, habe ich nie gespürt. Nie geahnt, dass Wege auch nach unten, ins Abseits führen können. Ich bin gefangen in einer Blase aus Glück. Gekämpft habe ich für wenig. Tischtennisplatten in der Schulpause gab es immer genug. Und als ich achtzehn war, wurde der Wehrdienst abgeschafft.“

Da schreibt einer, der alle Privilegien gehabt hat und jammert, dass er keine schweren Aufgaben in seinem Leben bekam. Alle Schwierigkeiten wurden ihm aus dem Weg geräumt. Er musste nichts für sein Dasein tun. Was für ein Leben! Jammern auf allerhöchstem Niveau. Auch Simon Strauss, der junge 1988 geborene Autor hat in seinem Leben nie richtig kämpfen müssen. Insofern ist der Protagonist in seinem Erstlingswerk er selbst. Doch so ohne Kampf und Mühsal geht das Gefühl verloren.

„Deshalb diese Nacht. Deshalb dieses Schreiben. Der einzige Kampf, der jetzt noch lohnt, ist der ums Gefühl. Die einzige Sehnsucht, die trägt, ist die nach dem schlagenden Herzen. Zu viel Gelände ist verloren gegangen an den Zynismus, der seine kalten Finger um alles legt.“

Wo will er denn hin unser Autor/Protagonist? Leben als armer Poet, wie in Spitzwegs Gemälde dargestellt? Voller Hunger und bar jeglicher Kleidung, durch das Dach tropft das Wasser? Ist denn so ein Leben, dem des Satten, Verweilenden vorzuziehen? Fließen die Gedichte, Lyrik, Essays, Romane dann besser? Aber ach, auch das Laster ist ein Problem und die Angst normal zu werden.

„Noch-nicht-dreißig ist das Kriterium und: ein Fragender zu sein, kein Besserwisser.“

Mit dreißig ist alles vorbei? Der Sturm, der Drang, die Jugend, das ganze Leben? Danach ist nur noch Tristesse? Mitnichten, nicht alle Großtaten wurden von unter Dreißigjährigen erreicht, doch ist die Jugend sicherlich in ihrer Ungestümheit noch von vielen Grenzen befreit. Simon Strauss handelt die Todsünden hechelnd in seinem Essay ab, versucht Bezüge zum heutigen Leben herzustellen, doch außer dem Hochmut (der vor dem Fall kommt) gelingen ihm nur ‚Todsündchen‘, ein schwacher Abklatsch der Sünden, die doch laut der Kirche zu ewiger Verdammnis führen. Ist denn der heutige Mensch noch nicht einmal zu Todsünden fähig? Doch! Man denke nur an den Film Sieben, der mir spontan zu dem Thema einfällt und der in eindringlicher und unvergessener Weise, Bilder in meine Netzhaut eingebrannt hat. Kevin Spacey in seiner besten und bösesten Rolle. Unerreicht. Dagegen ist dieses Büchlein nur ein Dahin-jammern. Manches Mal gelingen Simon Strauss nette Vergleiche, schöne Sätze, elegante Absätze.

„Lange Ziit sagen die Schweizer und meinen damit sowohl Langweile als auch Sehnsucht. Ich habe lange Ziit nach dir, heißt so viel wie: Ich sehne mich nach dir. Nur wer sich langweilt, kann sich auch sehnen. Ein Leben, das nie aufschiebt, wird immer nur hecheln, nie frei atmen.“

Die Kritiker sind begeistert, ich denke mal wieder, dass ich mich wohl nie in deren Elfenbeintürmen niederlassen werde. Eines hat mir dieses Buch doch gezeigt, Simon Strauss hat eine achte, neue Todsünde, hervorgeholt: Die Jammerei

 

Buchdetails:

  • Aktuelle Ausgabe: 08.Juli 2017
  • Verlag: Blumenbar
  • ISBN:  978-3-351-05041-2
  • Hardcover: 144 Seiten

9 Gedanken zu “Die Achte Todsünde

  1. So habe ich das noch nicht gesehen, aber da hast du recht. Man kann sich seine Herausforderungen selber suchen, auch Aufgaben.
    das Buch ist derzeit in der Bib vergriffen, außerdem sind noch andere (auf die ich ehrlich gesprochen mehr Lust habe) in der Warteschleife.^^

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  2. Aber genau darum geht es doch, dass das was da als Ausbrechen beschrieben wird, mitnichten eines ist. Haut auf die Kacke, wenn ihr jung seid 😉 Sogar das ist hier so zahm dargestellt, dass man nur drüber lächeln kann – so habe ich das herausgelesen. Wenn schon, dann richtig, dann in die vollen. Verschwende deine Jugend sage ich da nur ;))) Die Prüfungen oder Abenteuer oder wie man es auch immer nennen mag, die muss man sich heutzutage – und das war vor ich sage mal 20 Jahren nicht wirklich anders – selbst suchen (glücklicherweise). Aber wenn ich mir meine zwei Neffen ansehe, dann heißt Urlaub für die: All-inclusive in irgendeinem Club und das ist dann der Ausbruch, anstelle von macht Dich auf den Weg und ne Interrail tour oder so. Verstehst du, was ich meine? Aber bei Büchern ist es immer gut, wenn man sich eine eigene Meinung bildet – bin auf deine sehr gespannt!! LG, Bri

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  3. Die Erkenntnis kommt aber erst immer später und im Laufe der Zeit 😉 Ich glaube sogar, dass die wenigsten eine Lösung wirklich finden, sondern am Ende eben doch ein Leben „in der Schiene“ wählen, weil der Druck nicht zu unterschätzen ist. Warum hat man denn diese Gestalten, die mit 60 plötzlich Heim und Hof hinschmeißen und sich irgendwo verwirklichen wollen?
    Mensch, jetzt muss ich das Buch am Ende doch noch lesen! Ich hab‘ grad das Gefühl, dass ich etwas „verteidige“, was ich bei der Lektüre sicher auch nervig finden würde^^

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  4. Ja natürlich ist das auch schlimm, aber ehrlich: Weiß man das je? Ist es nicht gerade das, was man sich behalten sollte: die Neugier, den Tatendrang. Das Leben ist mit 30 noch lange nicht vorbei! Ich habe mit knapp 30 mein Studium erst beendet gehabt, vorher Ausbildung, Abi auf dem zweiten Bildungsweg, Ehemann und Kind mit knapp 40 … Ich habe während des Studiums gejobbt, um in den Semesterferien wegfahren zu können, am besten für mindestens 4 Wochen mit Rucksack und Motorrad. Das Leben ist eine Reise – und was da in dem Buch anklingt, wie es mir von mehreren Seiten bereits weitergegeben wurde, ohne es selbst gelesen zu haben – das hat mit einer langfristigen Lösung des Problems, sich eben nicht fremd steuern zu lassen, nichts zu tun. Vielleicht liegt es auch am Alter, dass wir das anders sehen, weil wir über die 30 hinaus sind und glücklich, dass es uns und unseren Lieben gut geht. Das entspannt manchmal schon auch 😉

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  5. Zunächst: Sieben ist einer der besten Thriller überhaupt (*kurz nachdenken*) – ja, er ist der beste!

    Zu dem Buch, was ich leider nicht gelesen haben, dessen Zitate mich aber packen, und dem Gejammer:
    Vielleicht braucht der Mensch im Leben einen Kampf, eine Herausforderung und durch Privilegien gepudert, bleibt diese Erfahrung aus.
    Und dieses Gefühl, mit 30 sei alles vorbei – es ist genau das, was meiner Generation vermittelt wird: „Geh jetzt auf Reisen! Probier dich jetzt aus! Später wirst du das nicht mehr machen können!“ Das klingt seltsam, mit Blick auf eine offene Gesellschaft, wo alles möglich zu sein scheint – aber das ist nur ein Schein. Und so gehen mit 30 die Fragen nach Kind, Kegel und Karriereleiter los. Und vielleicht meinen einige, da sind sie nun, die Herausforderungen, die man vorher nie hatte!
    Das ist Jammern auf hohem Niveau – aus der Perspektive von Menschen, die anderes, vielleicht wirklich Schlimmes erlebt haben. Aber nicht zu wissen, wer man ist und was man will, und irgendwann fremdgesteuert im Hamsterrad zu landen – ist das nciht auch schlimm?

    Was mach ich nun? Einfach noch einmal „Sieben“ ausleihen^^

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  6. @ Bri Und ich mit. Klang das Büchlein doch interessant und wurde daher als Urlaubslektüre eingepackt und entpuppte sich nicht nur als unnützer Ballast, sondern versperrte weiteren Büchern den Platz die nach Abbruch der jämmerlichen Chose bitterlich fehlten. So erboste das Machwerk mich gleich zweifach.

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