Feenwesen, Armut, Rassismus – ein (alp)traumhaftes Universum

Ich habe mich ausnahmsweise im Rahmen einer Challenge aus meiner typischen Lesekomfortzone herausbewegt, bin ins unbekannte Genre der Young/Adult-Fantasy eingetaucht und muss sagen, es war großartig!

Was hat sich dieser 16-jährige Autor (ist das wirklich möglich?) da einfallen lassen – so viel Fantasie und eine grandiose Mischung aus den unterschiedlichsten literarischen Elementen.

In Bath, England irgendwann im 19. Jahrhundert öffnet sich ein Portal, und unzählige verschiedene Feenwesen überschwemmen aus einem Paralleluniversum die Realwelt. Was dann folgt, sind alle typischen Immigrationsprobleme: schwieriges Zusammenleben von Feen und Menschen aufgrund ihrer Unterschiedlichkeit, Vermischung der Rassen, Intoleranz, Fremdenfeindlichkeit, offener Rassismus bis zu Gewalt und Mord an Mischlingskindern. Der Dreck und die verpestete Umwelt der fortschreitenden Industrialisierung und die bittere Armut der Arbeiterklasse vor allem in der Bevölkerungsschicht der Mischfamilien lässt sehr genau die Inspiration der Werke von Charles Dickens erkennen, den der junge Autor sehr verehrt. Neben den Fantasyelementen wurde auch noch eine Steampunk-Komponente eingeführt – die Mitglieder der britischen Upperclass verwenden mechanische Pferde, Butler, winzige Vögel zur Datenübermittlung etc.- was die Geschichte wirklich zu einem einzigartigen Universum zusammenwebt, das seinesgleichen sucht und an Innovationskraft kaum zu überbieten ist.

Mehrere Mischlingskinder werden ermordet aufgefunden und der kleine Halbelf Bartholomew Kettle, der übrigens nicht ein stolzer, wunderschöner Krieger wie in Herr der Ringe ist, sondern eher einem hässlichen ausgehungerten Oliver Twist ähnelt, fühlt sich auch bedroht. Irgendwie sind der Innenminister, ein Stolzer Elf der Upperclass, und eine Fee in einem violetten Kleid in diese Angelegenheit verwickelt. Als Bartholomews kleine Schwester Hettie von der Frau entführt wird, machen sich der Junge und ein menschlicher politischer Gegenspieler des Innenministers auf den Weg, das kleine Mädchen zu finden und die politischen Ränke aufzudecken.

Die Charaktere sind verschroben, aber äußerst liebevoll entwickelt, und das Ganze gipfelt in einem Showdown, der in einem Cliffhanger endet. So, mehr möchte ich gar nicht mehr verraten, denn sonst würde ich zuviel spoilern.

Wer übrigens eine simple der Jugend angepasste Sprache in diesem Roman erwartet, wird auch total überrascht sein, denn ich habe selten so treffende gar nicht übertriebene aber dennoch blumige Beschreibungen gelesen. Also auch sprachlich ist diese Geschichte hitverdächtig.

Fazit: Solltet Ihr Euch jemals entschließen, wieder mal ein Y/A –Fantasybuch zu lesen, nehmt dieses. Es ist nicht nur ein Vergnügen für Jugendliche, sondern auch für Erwachsene. Ich freue mich auf jeden Fall auf Teil 2, denn ich will unbedingt wissen, wie die Geschichte weitergeht 🙂

Buchdetails:

  • Aktuelle Ausgabe : 26. Februar 2014
  • Verlag : Diogenes
  • ISBN: 978-3-25724-331-4
  • Flexibler Einband: 368 Seiten

6 Gedanken zu “Feenwesen, Armut, Rassismus – ein (alp)traumhaftes Universum

  1. Ehrlich gesagt wollte ich ursprünglich auch nicht, ich bekam das Buch als es rauskam und habe mich jetzt zwei Jahre davor gedrückt, einfach weil es nicht in mein Genreschema passte. Bin froh, dass ich mir endlich ein Herz gefasst habe 🙂

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  2. Thurs, das Buch hatte ich Dir angeboten ;))) Da wolltste nicht. Ich kam nicht so recht klar damit, lag am Steampunk ;)) Aber Weltfrustverarbeitung, nein. Einfach talentiert fabulierend und inspiriert.

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  3. 16!??? Ein zweiter Eragon? Und so begeistert? Da muss ich mal reinschauen, auch wenn mich das Alter etwas abschreckt. Klingt ein wenig nach Weltfrustverarbeitung…

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